Page 405 - MAO TSE-TUNG AUSGEWÄHLTE WERKE Band I .indd
P. 405

ÜBER DEN WIDERSPRUCH               401
           tive vermeiden und direkt zum Sozialismus führen, ohne den alten
           historischen Weg der westlichen Länder zurückzulegen, ohne die
           Etappe der bürgerlichen Diktatur durchzumachen? Das alles erklärt
           sich einzig und allein aus den konkreten Bedingungen der jeweiligen
           Zeitperiode. Wenn die bestimmten notwendigen Bedingungen schon
           vorhanden sind, dann treten im Entwicklungsprozeß eines Dinges be-
           stimmte Widersprüche auf, wobei die in diesen Widersprüchen ent-
           haltenen Gegensätze (ein Paar oder mehrere) einander bedingen und
           sich ineinander verwandeln. Andernfalls wäre all das unmöglich.
               So steht es mit der Frage der Identität. Was ist nun Kampf? In
           welcher Beziehung stehen Identität und Kampf?
               Lenin sagt:

                  Die  Einheit  (Kongruenz,  Identität,  Wirkungsgleichheit)  der
               Gegensätze ist bedingt, zeitweilig, vergänglich, relativ. Der
               Kampf der einander ausschließenden Gegensätze ist absolut, wie
               die Entwicklung, die Bewegung absolut ist. 22


               Was meint Lenin damit?
               Daß alle Prozesse einen Anfang und ein Ende haben, daß sie sich
           alle in ihr Gegenteil verwandeln. Die Beständigkeit aller Prozesse
           ist relativ, während ihre Veränderlichkeit, die sich in der Verwandlung
           eines Prozesses in einen anderen kundtut, absolut ist.
               Die Bewegung eines jeden Dinges äußert sich in zwei Zuständen:
           im Zustand relativer Ruhe und im Zustand offensichtlicher Verände-
           rung. Diese  sich in  den  beiden Zuständen äußernde Bewegung wird
           durch den Kampf verursacht, den die beiden im Ding enthaltenen
           gegensätzlichen Faktoren miteinander führen. Wenn die Bewegung
           des Dinges den ersten Zustand zeigt, dann macht das Ding nur quan-
           titative Veränderungen durch und keine qualitativen; deshalb äußert
           sie sich in scheinbarer Ruhe. Nimmt aber die Bewegung den zweiten
           Zustand an,  so  haben die im ersten Zustand vor  sich gegangenen
           quantitativen Veränderungen bereits einen bestimmten Kulminations-
           punkt  erreicht,  das  Einheitliche  hat  sich  daher  aufgelöst,  und  es
           erfolgt eine qualitative Veränderung, deshalb äußert sich die Bewe-
           gung des Dinges in einer offensichtlichen Veränderung. Solche im
           Alltagsleben zu beobachtenden Erscheinungen wie Einheit, Geschlos-
           senheit, Verbundenheit, Harmonie, Gleichgewicht, Stabilität, Stagna-
           tion, Stillstand, Beständigkeit, Gleichmäßigkeit, Kondensation, An-
           ziehung usw. sind Erscheinungen von Dingen, die sich im Zustand
   400   401   402   403   404   405   406   407   408   409   410