Page 4 - Rede im Hauptquartier der UNESCO
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AUFBAU EINER SCHICKSALSGEMEINSCHAFT DER MENSCHHEIT


                       noch wertlose Zivilisationen. Keine Kultur ist einer anderen über- oder
                       unterlegen.
                            Ich habe viele Orte der Welt besucht. Am meisten hat mich dabei
                       interessiert, die verschiedenen Zivilisationen auf den fünf Kontinenten
                       kennenzulernen und zu verstehen, worin ihre Unterschiede und
                       Besonderheiten liegen, und ich versuche, die Weltanschauungen,
                       Lebensauffassungen und Wertvorstellungen der Menschen, die in diesen
                       Zivilisationen zu Hause sind, zu beobachten. Ich habe die archäologische
                       Stätte Chichen Itza, die die Zivilisation der alten Maya repräsentiert,
                       besucht, ebenso wie die alte Stadt Samarkand in Mittelasien, die
                       unverkennbar das Kolorit der islamischen Zivilisation trägt. Ich bin
                       zutiefst überzeugt, dass wir uns im Sinne der Gleichberechtigung in
                       Bescheidenheit üben müssen, um uns erkenntnismäßig zum wahren Kern
                       verschiedener Zivilisationen vorzutasten. Tritt man einer Zivilisation
                       von oben herab gegenüber, bleiben einem nicht nur die Geheimnisse
                       dieser Zivilisation verschlossen, sondern man verhält sich ihr gegenüber
                       auch absolut unangemessen. Geschichte und Realität haben gezeigt, dass
                       Arroganz und Vorurteile die größten Hindernisse für den Austausch und
                       das gegenseitige Lernen zwischen unterschiedlichen Kulturen darstellen.
                            Drittens sind Zivilisationen inklusiv und erst diese Inklusivität
                       gibt ihnen die Triebkraft für Austausch und Voneinanderlernen. In
                       China pflegen wir zu sagen: „Der Ozean ist deshalb so riesig, weil er
                       Hunderte von Flüssen in sich aufnimmt.“ Alle Zivilisationen, die die
                       Menschheit geschaffen hat, sind Kristallisationen der Mühe und Weisheit
                       ihrer Völker. Jede Zivilisation ist einzigartig. Es ist nicht nur unmöglich,
                       andere Kulturen mechanisch nachzuahmen oder die eigenen Füße
                       zu beschneiden, damit sie in die Stiefel passen, im Gegenteil, solche
                       Handlungen sind auch äußerst schädlich. Die Früchte jeder Zivilisation
                       verdienen es, respektiert und geschätzt zu werden.
                            Die Geschichte lehrt uns, dass eine Zivilisation erst dann voller
                       Vitalität sein kann, wenn man bereit ist, sich auszutauschen und
                       voneinander zu lernen. Solange man den Geist der Inklusivität bewahrt,
                       existiert kein „Zusammenprall der Zivilisationen“, und verschiedene
                       Kulturen werden harmonisch koexistieren. Es verhält sich so, wie es die
                       Chinesen oft in folgende Redensart kleiden: „Rettich oder Kohl, jeder
                       nach seinem Geschmack.“



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